How To: Akquise im AUSLÖZER-Style – Teil 1

ZWISCHEN AUFREGEND UND ANSTRENGEND

Seit dem 15. Juni 2009 bin ich selbstständig. Gerade die Anfangszeit war super-holprig. Aber ich war 26, motiviert und dachte, jeder möchte mit mir arbeiten und nimmt mich mit Handkuss – das war natürlich nicht so. Ich war damals sehr blauäugig, aber irgendwie auch unbeschwert. Da hab ich es einfach gemacht, ohne richtig darüber nachzudenken, und das war, glaube ich, auch der richtige Weg.

Der Businessplan
Der erste Schritt war natürlich ein plausibler Businessplan für das Arbeitsamt. Dafür habe ich mir 3 Monate Zeit genommen. Die Idee war relativ schnell in Worte gefasst. Große Probleme machte mir allerdings der Rechnungsteil mit der Rentabilitätsvorschau für 3 Jahre, jeweils im Worstcase und im Bestcase. Ein Shice ... man hat ja keine Zahlen parat und keine Erfahrungswerte als Neugründer – man muss also Zahlen „erfinden“. Da war guter Rat teuer. Ich entschied mich meine Freunde Edith und Uwe anzurufen und um Hilfe zu bitten. Beide sind Mathe-Asse und obendrein noch kreativ. Danke euch beiden!

Nachdem der Businessplan vom Arbeitsamt abgesegnet war, entschied ich mich dazu, meinen Gründungstag, auf meinen Geburtstag zu legen – war ja symbolisch auch irgendwie eine Wiedergeburt: raus aus der Knechtschaft der Werbeagenturen, nie wieder für Fremde buckeln und 1.000 unbezahlte Überstunden schieben – „Nur noch für den eigenen fetten Ranzen!“ waren damals meine Worte. Mittlerweile weiß ich, dass man noch mehr arbeitet als in einer Festanstellung, aber ich mache es gerne und ich weiß ja auch wieso: ich mache es für mich.

Mein Business-Konzept
Während der Erstellung des Businessplans, unterhielt ich mich mit vielen Leuten, eine davon war meine ehemalige Arbeitskollegin Judith von Sympatexter. Wir erinnerten uns an unsere gemeinsame Agenturzeit, an die Fress-Schublade, die in stressigen Stunden geöffnet wurde und auch, an die fast täglich neuentstandenen Wortspiele mit meinem Nachnamen: intravenÖZER, seriÖZER, muskulÖZER und so weiter. Sie empfahl mir, dieses Schema auch auf mein Business-Konzept anzuwenden – BÄM – einzigartig und einprägsam. Die Reaktionen darauf waren gemischt:

  • Ich kann das nicht machen mit meinem Nachnamen ...
  • Wird man damit ernst genommen?
  • Sehr einfallsreich, da wäre ich nicht drauf gekommen ...
  • Ist das dein Ernst?
  • Wie gut ist das denn, ich musste sehr lachen!
  • Bisschen Egoschwein-mäßig, findest du nicht?
  • Sehr schön getextet und echt einprägsam.


Grundsätzlich kann man sagen, dass es 2 Lager gab:

  1. Meine Freunde und Bekannte aus Werbeagenturen, die es von „zu viel“, über „nazistisch“, bis hin zu „peinlich“ alles nannten – mit einigen wenigen Ausnahmen.
  2. Branchenfremde Freunde und Bekannte die es als „genial“, „einfallsreich“ und „unverwechselbar“ beurteilten – eben als das Alleinstellungsmerkmal das es ist.

Da man es nie allen recht machen kann, entschied ich mich dazu, dass jemand, der sich nicht davon angesprochen fühlt, auch nicht meine Zielgruppe ist. Damit fahre ich bis heute gut.

Einen Zusatznutzen hat dieses Konzept außerdem: Potenzielle Kunden verstehen gleich, wie man meinen Nachnamen ausspricht: das Z in Özer wird als S gesprochen. Durch den vorderen Wortteil läuft die Aussprache des restlichen Wortes automatisch richtig, und kaum einer kommt auf die Idee, das Z auch als solches auszusprechen oder zu lesen. Ein Konzept mit Lerning also.

Kaltakquise – Von der Hölle, nur für dich
Da ich keinen einzigen Kunden aus meinen ehemaligen Agenturen mitgenommen hatte – Ehrensache – startete ich Mitte Juni zunächst damit, dass ich mir online und aus der Tageszeitung Unternehmen aussuchte, die es meines Erachtens nötig hatten, dass man Ihnen grafische Unterstützung anbietet. Oft war ich der einzige der das so sah. An manchen Montagen, mein Akquise-Tag, rief ich bis zu 100 Leute an – und ich habe es gehasst. Die Antworten sahen meistens so aus:

  • „Wie kommen Sie drauf?“ (Weil Ihre Zeitungsanzeige aussieht, als hätte sie ein 3-Jähriger in Paint gestaltet, dachte ich mir.)
  • „Nein, danke. Wir haben jemand sehr fähigen der sich darum kümmert.“ (Hatten sie nicht! Sehr sicher nicht. Falls doch, war er/sie nicht mal ansatzweise „sehr fähig“)
  • „Nein, nein. Das brauchen wir nicht.“ („Doch, doch, Sie brauchen es mehr als jeder andere!“ Wollte ich darauf immer antworten.)

Das ging mir ganz schön an die Substanz, aber ich zog es knallhart durch und ab und zu, bekam ich dann sogar einen Kennenlerntermin aus dem sich auch des Öfteren ein Job ergab. Bis heute finde ich Kaltakquise super-anstrengend und auch echt nicht befriedigend. Eine andere Lösung musste her.

Die AUSLÖZER-Postkarten-Akquise als Direktwerbung
Ich gestaltete Postkarten mit meinen Özer-Wortspielen. Die jeweilige Özer-Wortschöpfung stand auf der Vorderseite und schloss mit einem Sternchen ab. Auf der Rückseite wurde dann das Sternchen aufgelöst. Ein Beispiel:

MUSKULÖZER*
*Kraftvolle Werbung. Starkes Design.

Es gab 6 unterschiedliche Karten, in aufmerksamkeitsstarken Farben. Meine Idee war es, ausgewählte Firmen anzuschreiben und die Postkarten als Direktwerbung an genau eine Zielperson zu adressieren. Ich suchte mir also gezielt Unternehmen aus, für die ich gerne arbeiten wollte. 16 an der Zahl. Darunter waren Kärcher, der Ernst Klett Verlag, HENKEL, DAS K, die Stadt Crailsheim, die Tanzschule Özer aus Duisburg und weitere. Die Adressen und Ansprechpartner entnahm ich aus Xing. Der Teil war einfach.

Nun machte ich mich an den Text. Es sollte 4 Postkarten pro Ansprechpartner geben, die sie im Abstand von einer Woche empfangen sollten. Die Texte brachte ich handschriftlich, um eine persönliche Note ins Spiel zu bringen, und mit Hilfe des AIDA-Modells zu Papier.

AIDA ist ein Akronym und steht für die englischen Begriffe Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Verlangen) und Action (Handlung). AIDA beschreibt ein Stufenmodell der Werbewirksamkeit. Die 4 Phasen, die alle als gleichwichtig gelten, sollen den potenziellen Kunden zur Kaufentscheidung führen. Sie basieren auf psychologischen Erkenntnissen von Wahrnehmungsprozessen in der Kommunikation und können sich grundsätzlich auch überschneiden.

  1. Aufmerksamkeit erzeugen, um die Zielgruppe anzuziehen.
  2. Die Interesse des Produkts/der Dienstleistung wecken.
  3. Den Wunsch entstehen lassen, das Produkt/die Dienstleistung haben zu müssen.
  4. Dadurch die (Kauf)Handlung bei der Zielgruppe auslösen.


Meine Texte sahen wie folgt aus:

1. Postkarte (Attention):

Hallo Frau/Herr, Sie kennen mich! 

Denn seit 2009 gestalte und platziere ich Werbemaßnahmen für den Großraum Stuttgart. Flexibilität, schnelle Reaktionszeiten und bezahlbare Preise sind für mich dabei das A und O. Mein Ziel: Stuttgart muss schöner werben. Es freut mich auch Sie kennen zu lernen!

Gestatten: Dennis Özer


2. Postkarte 
(Interest):

Hallo Frau/Herr, das wird großartig!

Sie suchen zeitgemäße Gestaltung, sorgfältige Arbeit, Ideenreichtum und hohen Anspruch in Konzeption und Umsetzung ... Mit all dem können Sie rechnen, wenn wir zusammenarbeiten. In meiner 10-jährigen Berufserfahrung habe ich bereits Kunden aus dem „Muster“-Bereich betreut und ich freue mich darauf, auch Sie als Kunden zu gewinnen.

Ihr Ideenschmied, Dennis Özer


3. Postkarte 
(Desire):

Hallo Frau/Herr, wofür schlägt Ihr Herz? 

Intensive Kundenbindung? Ein höheres Auftragsvolumen? Einen starken Namen in der Region? Meins schlägt für unverwechselbares Artwork und authentische Werbekonzepte. Interessiert? Dann besuchen Sie mich auf: www.auslözer.de 

Ihr Pulsankurbler, Dennis Özer

 
4. Postkarte (Action):

Hallo Frau/Herr, ich freue mich auf Sie! 

Freuen auch Sie sich auf aufmerksamkeitsstarke Werbemaßnahmen und individuelles Design mit Herzblut. Hierbei unterstütze ich Sie gerne und freue mich über ein persönliches Gespräch mit Ihnen.

Ihr Grafiker, Dennis Özer


Mittlerweile wurde das AIDA-Modell ergänzt zum AIDCAS-Modell:

  1. Attention
  2. Interest
  3. Desire
  4. Conviction (Überzeugung, das Produkt/die Dienstleistung überzeugt gegenüber anderen)
  5. Action
  6. Satisfaction (Befriedigung, der Wunsch des Kunden wird befriedigt)

Bei der 3. Postkarte, erzeuge ich demnach das Verlangen (Desire) bzw. den Wunsch, mit mir zusammenarbeiten zu wollen, indem ich auf meine Homepage verweise und somit durch mein Portfolio überzeuge. Mit Hilfe von Google Analytics konnte ich hinterher sehen, wie viele der Ansprechpartner meine Homepage besuchten: Es waren 8. Nur 8. Ich war super-enttäuscht. Niedergeschlagen rief ich Edith an, die ja meine Selbstständigkeit von den ersten Gehversuchen an begleitete. Sie lachte mich aus und fragte mich, ob mir eigentlich bewusst sei, dass ich mit dieser Kaltakquise-Aktion eine Response von 50 % erzielt habe. So gesehen hatte sie natürlich Recht und ab diesem Zeitpunkt erkannte ich erst die Wirkung dieser Methode ...

Als ich nach den 4 Wochen meine Auserwählten anrief, um nachzuhaken gab es einige überraschende Reaktionen:

Marketingabteilung von Henkel in Düsseldorf: Ja, Herr Özer! Schön, dass ich jetzt auch noch eine Stimme zu den Postkarten bekomme... Nach meiner Frage, wie die Postkarten ankamen, war die Antwort sehr diplomatisch formuliert: „Sehr inflationär Herr Özer, sehr inflationär. Wissen Sie, alle 4 Leute die sie angeschrieben haben, sitzen hier im selben Großraumbüro. Sie waren Gesprächsthema Nummer 1 ...“
Das kam also nicht so gut an. Dennoch konnte ich in einer anderen Abteilung bei HENKEL und mit der Hilfe einer Freundin die dort arbeitet, einen Job ergattern der nun jedes Jahr wiederkehrt: Die Einladung für die Journalisten der Bilanzpressekonferenz. Zwar kein direkter Auftragseingang, aber immerhin habe ich für Aufmerksamkeit gesorgt.

Die Tanzschule Özer in Duisburg musste ich nicht anrufen. Vedat, der Chef, meldete sich bei mir. Wir trafen uns, und ich bekam den Auftrag, das neue Erscheinungsbild der Tanzschule im Baukasten-System zu erstellen. Dieses erlaubte, die eigenhändige Erstellung diverser Druckerzeugnisse – von Plakat bis Infobroschüre – durch leicht nachvollziehbare Gestaltungsrichtlinien. Auftragseingang Nummer 1.

Ernst Klett Verlag in Stuttgart: Ich rufe an. Es klingelt. Meine Ansprechpartnerin geht direkt ran. „Herr Özer, gut dass Sie anrufen. Ich habe Ihre Karten nichtmehr. Irgendjemand hat sie mir vom Schreibtisch geklaut.“ Ich muss lachen, und verspreche ihr, alle Karten nochmal zukommen zu lassen, gegen einen Kennenlerntermin. Sie ging darauf ein. Beim Termin waren wir zu dritt, die Kollegin, die sich der Karten annahm hatte sich zu erkennen gegeben und hielt eine Überraschung für mich bereit: Die Erstellung eines Bildkonzepts für eine neue Lehrbuchserie fürden Englischunterricht. Die Werbemittel sollten für den Vertrieb fit gemacht werden. Gesagt, getan: Ein schönes Projekt entstand. Auftragseingang Nummer 2.

Das K – Kultur- und Kongresszentrum in Kornwestheim. Hier arbeitet Sophie, eine Freundin von mir. Akquiriert habe ich aber ihre Chefin, die Leiterin des Eigenbetriebs, der zur Stadt Kornwestheim gehört. Nachdem diese zu Sophie, mit einem Augenzwinkern sagte: „Bitte laden Sie jetzt endlich mal ihren nervigen Freund ein, sonst bekomme ich noch mehr Postkarten ...“, erhielt ich auch hier nach dem Termin einen Auftrag: die Neugestaltung des Spielplans für die erste Saison der damals neuen Theaterbühne und Eventlocation. Mittlerweile sitze ich schon am 7. Spielplanfür die kommende Saison. Zudem entstanden über die Zeit weitere Aufträge für die Stadt Kornwestheim direkt: Broschüren, Flyer und Plakate für das Jugendzentrum, das Haus der Musik, die Stadtbücherei und die Museen der Stadt Kornwestheim. Zudem das Corporate Design Manual für den Eigenbetrieb DAS K. Auftragseingang Nummer 3.

Auch die Stadt Crailsheim ist ein großer Kunde, den ich durch die Postkarten gewinnen konnte. Durch die 4 verschickten Postkarten wurde ich einige Zeit später zu der Ausschreibung eingeladen, bei der es um die Vereinheitlichung der Werbemittel der Stadt, und aller Institutionen ging. Diesen Pitch konnte ich für mich entscheiden – einer meiner größten Erfolge in meiner Zeit als Selbstständiger. Mittlerweile geht jeder Flyer, jede Broschüre und jedes Plakat, das von der Stadt Crailsheim kommt, über meinen Schreibtisch und ziert die Stadt an jeder Ecke. Es ist wirklich ein schönes Gefühl, meine Heimatstadt auf diesem Weg zu unterstützen und so immer noch ein Teil davon zu sein. Auftragseingang Nummer 4.

In Summe sind das 4 Auftragseingänge die ich durch die Direktwerbung mit den Postkarten erreicht habe. Das ist eine Response von 25 %, worüber ich auch etwas stolz bin. Die Stadt Crailsheim, DAS K und Henkel zählen bis heute zu meinen Kunden. Die Zusammenarbeit läuft reibungslos und die Projekte sind sehr abwechslungsreich – ein Luxus der nicht jedem vergönnt ist – I like!

Das A und O: Vitamin B
Zwischenzeitlich, ist mein Netzwerk nach nun fast 10 Jahren Selbstständigkeit natürlich sehr gewachsen. Meine Postkarten-Akquise habe ich eingestellt. Aufträge ergeben sich meistens über bestehende Klienten, und Neukunden bekomme ich hauptsächlich über Freunde, Bekannte, Bestandskunden und andere Özeristen die mich weiterempfehlen – Vitamin B(eziehungen) – wie man so schön sagt, oder auch Mund-zu-Mund-Werbung.

Wenn ich aber jetzt, nach dem Schreiben dieses Artikels, nochmal den damaligen  Rücklauf auf schwarz und weiß sehe, wäre eine erneute Runde mit den AUSLÖZER-Postkarten vielleicht nochmal einen Versuch wert – was meint ihr?