Meine Top 5 Konzertmomente

FEUERWERK DER GEFÜHLE: GOOSEBUMPS, POGO UND FREUDENTRÄNEN

Mein bevorzugter Ausgleich zum Arbeitsalltag ist, neben Sport, definitiv ein ehrlicher Konzertbesuch– meistens in Gesellschaft von Freunden, aber auch des Öfteren alleine. Solo geht hier gut, denn so kann man sich voll auf die Musik einlassen. Meine Top-5-Konzertmomente könnt ihr hier nachlesen. Keep on rockin’.

„Rockin’“ ist ein gutes Stichwort, denn mit dem ganzen Elektro-Geschmetter kann ich einfach nichts anfangen. Und warum eigentlich ein „ehrlicher“ Konzertbesuch? Das ist einfach: weil es handgemacht ist. Jedes Mal aufs Neue. Es nicht einfach nur abgespielt wie elektronische Musik. Jetzt kann man sagen, dass ein guter DJ die Tracks auch jedes mal unterschiedlich mischt, die Reihenfolge variiert und auf die Stimmung vom Publikum eingeht und dieses komplett zum Eskalieren bringen kann – ja, auch das ist hohe Kunst. Aber es ist nur abgespielt. Dass der Track genauso aufwändig in der Produktion war wie ein Song mit Gitarren, Drums und allem drum und dran, steht außer Frage. Aber hey: am Ende vom Tag ist es für mich nur abgespielt. Sorry for: not sorry. ¯\_(ツ)_/¯

So begeistert ich von Konzerten bin, es gibt auch Leute die einem Konzert so gar nichts abgewinnen können. Ein guter Freund von mir zum Beispiel – Ich kann es nicht nachvollziehen: er ist 37 und war auf drei Konzerten. Auf drei. Ich war auf weit über einhundert Konzerten und bekomme den Hals immer noch nicht voll. „Music was my first love – and it will be my last“ wie John Miles schon so treffend formulierte. Jetzt geht es los, viel Spaß beim Lesen.

PLATZ 5

George Ezra, Southside Festival 2018
Ich lief zusammen mit Samantha vom Campingplatz in Richtung Bühne. Wir hatten uns, metaphorisch gesprochen, tagsüber ein hübsches Krönchen aufgesetzt und ich freute mich sehr darauf, George Ezra endlich live zu sehen. Ich höre seine Platten wirklich oft und kann es bisher immer noch nicht fassen, dass diese bassige Stimme aus diesem bleichen Kerl herauskommt. Den Anfang des Konzertes verpassen wir leider, aber einen meiner Lieblingssongs konnten wir noch hören: ich weiß noch genau, wie George den Song „Shotgun“ von seinem damals aktuellen Album „Staying at Tamara’s“ anstimmte und ich mir vor so viel angestautem Glück, bedingt durch die gute Sommerlaune und sein stimmgewaltiges Organ, eine Träne wegdrücken musste, die Samy aufgrund meiner verspiegelten Sonnenbrille zum Glück nicht sehen konnte. Sie hätte mich schätzungsweise ausgelacht, denn der Moment war eigentlich null zum heulen, er hat mich aber trotzdem irgendwie getroffen. 

Auch dieses Jahr gehe ich wieder zu George Ezra. Ich habe zwei Karten und eine davon wäre noch frei – wer hat Lust mich zu begleiten? Es besteht aber die Gefahr, dass ich wieder anfange zu weinen, da musst du dann einfach durch, oder ich krame einfach meine verspiegelte Sonnenbrille heraus ...

PLATZ 4

Wanda. Roxy, Ulm 2016
Wie bekommt man die Best-Buddies zusammen, wenn einer in Ulm, einer in Bregenz, einer bei Crailsheim und man selbst in Stuttgart wohnt?

Schritt 1: Kaufe jedem ein Konzertticket für eine gute Band, die alle hören. In unsrem Fall war das Wanda.
Schritt 2: Warte die Geburtstage deiner Dudes ab, und schenke jedem ein Ticket. Fertig.

Das Wanda Konzert in Ulm habe ich aber nicht nur wegen der Konstellation in Erinnerung behalten. Es war ein herrlich-chaotischer Abend, bei dem ich zum Abschluss auch noch mein Handy in einer Bar hab liegen lassen. Aber der Reihe nach. Wenn die Guten zusammen treffen, ist das selbstverständlich immer ein Anlass etwas tiefer ins Glas zu schauen, denn wir sehen uns wirklich nicht oft. Die Stimmung ist ausgelassen und wir „glühen vor“ wie damals vor 15 Jahren – peinlich, aber gut. Daniel nimmt sogar Mische mit zur Halle. Unglaublich. Wir betreten die Konzert-Location Roxy und gehen erst mal an die Bar. So weit, so gut. Die Band fängt an zu spielen und gibt Songs wie „Bologna“, „Auseinander gehen ist schwer“ und „Schick mir die Post“ zum Besten – es ist die Amore-Tour. Der Sänger, Marco Michael Wanda, raucht und trinkt auf der Bühne und ist einfach eine coole Sau. Als er „Bussi Baby“ anstimmt darf die Uschi vor uns bei ihrem 1,95 m großen Freund auf die Schultern und versperrt sowohl uns, als auch allen hinter uns die Sicht. Sehr uncool wie wir finden.

Mein Konzertmoment startet: Wir vier schauen uns an, nicken und fangen an zu pogen (springend und anrempelnd tanzend – für alle die noch nicht in den Genuss kamen). Die Konstruktion vor uns gerät – ich denke versehentlich – ins wanken und gibt schlussendlich auf. Die beiden Sichtbremsen bauen sich ab, drehen sich um und glotzen uns an. Der 1,95-er kommt einen Schritt auf uns zu und will gerade den Mund aufmachen, als ihn seine Freundin zur Seite schubst, Marcel am Kragen packt und ihn angiftet: „Du Penner ...“ (wahrscheinlich hat sie über die Schulter nur ihn hüpfen und springen gesehen) „... was machst du für ’ne Scheiße, bei einem Konzert das „Amore“ heißt?“ Schweigen auf allen Seiten. Vor uns, hinter uns, wir, sie, 1,95-Man – alle. Bis wir vier schallend anfangen zu lachen und mit uns alle die hinter uns standen. Beleidigt geht der obere Teil des nun nicht mehr existenten Totempfahls wieder zurück in die Arme ihres Freundes. O.K., O.K. vielleicht nicht die fairste jemals dagewesene Situation und wahrscheinlich wollte sie einfach auch mal kurz etwas mehr von der Band sehen, aber ein bisschen ego sind diese Schulter-Girls schon auch immer. Das überragende daran war aber einfach ihr Spruch, der auch heute noch des Öfteren fällt und an den wir uns noch gerne zurück erinnern: „... was machst du für ’ne Scheiße, bei einem Konzert das „Amore“ heißt?“ – großartig! 

Nach dem Konzert gingen wir noch weiter, etwas essen und in die nächste Bar. Wir bestellen drei Bier. Chris wollte lieber einen Minztee, wenn es ginge, bitte mit marokkanischer Minze. Alle, inklusive Kellnerin, lachen – er meinte das natürlich nicht ernst, und bestellte noch ein Bier ... dazu – der Tee kam trotzdem. In dieser Bar hatte ich dann zu allem Überfluss noch mein Handy liegen lassen, das Marcel am Tag darauf abholte und mir per Post zuschickte. Ein mega Abend. Danke euch dafür – und für den ganzen Rest.

PLATZ 3

Beatsteaks. Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart 2014
Meine Lieblingsband – keine Frage. Der Frontmann, Arnim Teutoburg-Weiß, hat sein Publikum wie kein Anderer im Griff. Denn er holt es ab – von der ersten Sekunde bis zum Schluss kocht die Stimmung bei den Beatsteaks-Konzerten. Sie liefern live immer gut ab und die Party ist garantiert – so auch dieses mal. Ich war mit Larissa und Julien dort, die noch andere Freunde im Schlepptau hatten. Ich brachte Babs mit, die mindestens genauso gerne Konzerte besucht wie ich und mit der ich schon viele Jahre gemeinsam auf Festivals gehe. Von meinen Düsseldorfer Freunden, die schon ein paar Tage eher das Vergnügen hatten, die Beatsteaks zu sehen, bekam ich den Tipp wirklich bis ganz zum Schluss zu bleiben, auch wenn das Licht angeht. Warum sagten Sie nicht. Die Band legt los mit „Summer“ eine wahre Hymne für mich. Es folgen „A Real Paradise“ und „DNA“ vom damals aktuellen Album und im Laufe des Abends natürlich auch Klassiker wie „Jane Became Insane“, „Let Me In“, „Hand In Hand“ und „Hey du“ das wohl beste Liebeslied aller Zeiten, das Peter Baumann – nur er und seine Gitarre – nach alter Beatsteaks-Tradition ganz pur im Spotlight zum Besten gibt.

Die anderen zu überzeugen nach dem Konzertende einfach in der Halle zu bleiben, war erst mal einfacher als gedacht. Ich hatte ja keine Argumente, außer den Tipp der Düsseldorfer und trotzdem blieben wir nach der vermeintlich letzten Zugabe gesammelt stehen. Die Zuschauer im Innenraum verließen nach und nach die Schleyerhalle und auch die Tribüne leerte sich ziemlich schnell. Das Licht ging an. Die andern so: „Toll Özer ... und jetzt?“ Ich: „Moment noch.“ Nichts passierte. Ein Teil von uns wollte schon los zur Garderobe, als die Mucke wieder Vollgas einsetzt und Arnim mitten in der Halle auf einem Wellenbrecher stand, während er „I Never was“ performte. Der Platz im hinteren Teil der Halle auf dem wir davor wie angewurzelt standen, war Geschichte. Vor allem Julien und ich sprangen über die Wellenbracher wie Hürdenläufer und ergatterten so einen Platz in den vorderen Reihen, der Rest folgte. Nach so vielen Zusatz-Songs (vier Songs bei der ersten Zugaben-Runde, drei Songs bei der Zweiten und 2 Songs bei der Dritten) hatte so gut wie niemand mehr mit einer vierten Zugabe, und das mitten im Raum, gerechnet. Das war wirklich besonders. Und obwohl Arnim nach „Summer“ sagte, wir sollen die Handys bitte in der Tasche lassen und einfach die Show genießen, konnte ich nicht anders als diesen grandiosen Konzertmoment festzuhalten – Sorry Bro.

PLATZ 2

Seeed. Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart 2012
Seeed gehört für mich safe zu den besten Live-Bands – ohne wenn und aber. Seeed ist auch eine der Bands, die ich mit am öftesten performen gesehen habe. Sechs mal bisher und im November dieses Jahr zum siebten Mal. Eines meiner besten Seeed-Konzerte war direkt im Anschluss nach meiner Australienreise. Und ich meine wirklich direkt danach. Ich bin mittags in Frankfurt gelandet und war abends schon in der Schleyerhalle, ohne vorher zu schlafen, in der Hoffnung dem Jetlag ein Schnippchen zu schlagen – was natürlich nicht funktioniert hat und ich trotz des 24-Stunden-Wachseins zwei Wochen lang den Jetlag des Jahrzehnts hatte. Kaum einen Schritt in der Halle konnte man den für Seeed-Konzerte typischen süßlichen Geruch wahrnehmen – wer’s mag. Meine Konzi-Kollegen Samantha, Marcel, Thomas und ich waren relativ spät dran, weshalb wir im hinteren Drittel stehen blieben, als wir nichtmehr weiter Richtung Bühne vordringen konnten. Seeed starteten ihre Show mit dem fettesten Bass ever – die Vibrationen an den Füßen und im Brustbereich waren sogar noch an unserem Standpunkt gut zu spüren. Ich weiß bis heute nicht, ob es an der Zeitverschiebung lag, oder an den zwei Bieren, die sich jeder von uns vor Konzertbeginn mitnahm und die wir ziemlich schnell getrunken hatten, um besser tanzen und feiern zu können – aber es war ein Fest das seinesgleichen sucht. Spätestens als die zwei ersten Zeilen aus dem Song „Seeeds Haus“ angestimmt wurden: „Die Stadt ist leer gefegt, die Lichter sind aus – Du machst dich auf den Weg, denn alle stehn vor unserm Haus“ und anschließend der Beat dropte, war alles zu spät und es gab für uns kein halten mehr. Das wir so weit hinten in der Halle die einzigen waren, die Seeed so dermaßen feierten und sich um uns herum eine 1,5 m große Bufferzone zwischen uns und dem restlichen Publikum bildete, störte uns kein Bisschen. Es ist immer wieder ein unglaubliches Gefühl, wenn die Musik die Oberhand gewinnt und man es nicht mehr schafft still zu stehen – diese Erfahrung (nennt man das Dancers-High?) wünsche ich jedem mal. Wenn ich „Seeeds Haus“ heute höre, denke ich automatisch an diese unglaublichen drei Minuten völliger Eskalation zurück und freue mich schon jetzt auf das neue Album und das Konzert im November.

PLATZ 1

Peter Fox. Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart 2009
Vor nun mehr als 10 Jahren, am 11.3.2009 fand in Winnenden, wenige Kilometer von Stuttgart entfernt, ein schrecklicher Amoklauf statt, bei dem 15 Leute starben. Danach erschoss der Täter sich selbst. Einen Tag später stand Peter Fox, einer der Frontmänner von Seeed, trotz allem in der Stuttgarter Schleyerhalle auf der Bühne. Peter Fox kam vor Konzertbeginn auf die Bühne und bat um Aufmerksamkeit. Seine genauen Worte weiß ich nichtmehr, aber er versprach, dass in der Schleyerhalle gleich die Party des Jahrhunderts steigen werde, aber nicht ohne vorher eine Schweigeminute im Gedanken aller Opfer, die in Winnenden ihr Leben lassen mussten, abzuhalten. Die Zuschauer auf den Tribünen standen stumm von ihren Sitzplätzen auf. Das Klackern der nach oben schnellenden Stadion-Klappsitze, das die komplette Schleyerhalle erfüllte, habe ich immer noch im Ohr. Danach war der randvolle Saal für eine Minute (wenn nicht länger) mucksmäuschenstill – man hätte eine Stecknadel fallen hören können – es war unglaublich.

Zum Vergleich: Anfang diesen Jahres war in der selben Location ein Konzert der Twenty One Pilots. Tyler Joseph, der Sänger der Band, bat ebenfalls um Schweigen des Publikums gebeten, um herauszufinden, welche Stadt am längsten still sein kann. Der Rekord war bei 3 Sekunden. Stuttgart schaffte es an diesem Tag 2 Sekunden den Mund zu halten.

Das Peter Fox Konzert von 2009 zu seinem ersten und bisher einzigen Soloalbum „Stadtaffe“ war überragend – ich war insgesamt auf drei Konzerten dieser Tour. Aber das Klackern der Klappsitze und die Schweigeminute im Vorfeld werde ich nicht vergessen. Etwas Derartiges habe ich seither nie wieder erlebt und ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich an diese öffentliche Bekundung des Mitgefühls denke. Man konnte die Verbundenheit, das Beileid und die Betroffenheit während der Gedenkminute förmlich spüren – und das war sehr bewegend.

Die Tickets meiner Konzertbesuche hebe ich schon seit vielen Jahren als Erinnerung auf. Aber diese fünf Konzerttickets gehören eigentlich gerahmt an die Wand. Vielleicht nehme ich das die Tage mal in Angriff.